Frau Garrelts, Sie arbeiten als Kinderärztin mit Schwerpunkt Palliativmedizin in einem SAPV-KJ-Team. SAPV-KJ heißt „Spezialisierte ambulante Palliativversorgung für Kinder und Jugendliche“. Sie versorgen mit Ihrem Team Kinder und Jugendliche, bei denen eine nicht heilbare, fortschreitende und so weit fortgeschrittene Erkrankung vorliegt, dass dadurch die Lebenserwartung begrenzt ist.
Wie setzt sich das SAPV-KJ-Team zusammen?

Ein SAPV-KJ-Team setzt sich zusammen aus einer erfahrenen ambulant arbeitenden Pflegekraft (Palliativ-Care-Pflegekraft), einer psychosozialen Kraft (Sozialpädagoge*in oder Psychologe*in) und einem/einer Kinderarzt/-ärztin, die jeder jeweils eine mehrwöchige Weiterbildung für die Palliativversorgung eines Kindes oder eines Jugendlichen und seiner Familie absolviert haben. Da wir als Regionalteam Oldenburg den gesamten Nordwesten von ca. Ganderkesee bis Leer, von Lohne bis zur Nordseeküste versorgen, setzen wir uns je nach Wohnort der Familie mit einer Palliativpflegekraft aus der jeweiligen Region zusammen. Wir, zwei Ärztinnen und drei Psycholog*innen des Teams arbeiten und kommen alle in und aus Oldenburg.

Was ist Ihre Rolle / Aufgabe im Team?
Als Ärztin eines Teams nehme ich oft eine Leitungsfunktion ein, meist läuft auch der Erstkontakt zur Aufnahme einer SAPV über mich. Gemeinsam erarbeiten wir mit der Familie deren Bedarf einerseits und das, was wir unsererseits anbieten können andererseits. Wir besuchen den Patienten und seine Familie zu Hause als Team oder auch alleine. Ich selbst berate die Familie medizinisch, d.h. wir besprechen die Symptome, die das Kind oder den Jugendlichen beeinträchtigen und suchen nach Behandlungsmöglichkeiten. Mein Part liegt dann sehr stark bei der Medikation - dies jedoch stets ganzheitlich und unter palliativen Gesichtspunkten betrachtet (d.h. in Abstimmung mit meinen Kolleg*innen). Oft geht es um die Behandlung von Schmerzen oder einer Spastik. Wir begleiten die Patienten und deren Familien bei krisenhaften Verschlechterungen zusätzlich und ausdrücklich in Zusammenarbeit mit dem örtlichen Kinderarzt, um uns bei Stabilisierung der Situation auch wieder herauszuziehen. Wir erstellen auf Wunsch und nach entsprechender Beratung gemeinsam mit den Familien Notfallpläne und auch die sog. Empfehlungen zum Vorgehen in Notfallsituationen (EVN = eine Art Patientenverfügung für den Patienten, der aber ja (noch) nicht mündig ist). Falls gewünscht und die Umstände dies zulassen, begleiten wir auch final zu Hause.

Was sind die besonderen Herausforderungen, die Ihr Team bewältigen muss?
Die Herausforderungen sind vielfältig: Zum einen sind die Entfernungen zu den Patienten und Ihren Familien oft sehr groß, so dass Hausbesuche allein schon wegen der Fahrtzeiten sehr zeitintensiv sind. Vieles muss (und kann) telefonisch oder auch digital erfolgen. Die Pflegekraft ist diejenige, die am nächsten an der Familie dran und zumeist die erste Ansprechpartnerin ist. Sie berät als erstes und filtert. Da alle Teammitglieder hauptamtlich bei anderen Arbeitgebern arbeiten (bei ambulanten Kinderintensivpflegediensten, in der Kinderklinik oder wie meine psychologischen Kollegen und ich im sozialpädiatrischen Zentrum in Oldenburg) ist es teilweise schwierig, die verschiedenen Aufgaben zu koordinieren. Die größte Herausforderung ist jedoch aus meiner Sicht, wirklich gut zu erfassen, welche Bedarfe tatsächlich bei dem jeweiligen Patienten und seiner Familie vorliegen, in eine offene und ehrliche Kommunikation mit Patient und Familie zu gehen, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Wir sollen und möchten nichts überstülpen und können aber auch leider keine Wunder vollbringen. Die Wünsche, Einstellungen und kulturellen Hintergründe der Familie sind unbedingt zu berücksichtigen, was ebenfalls teilweise herausfordernd ist. Wir betreuen Familien, die sich letztendlich in einer Ausnahmesituation befinden.

Die Schulung der ehrenamtlichen Familienbegleiter*innen der Stiftung Hospizdienst Oldenburg und des Netzwerkes Weser-Ems ist eine Ihrer Aufgaben. Was motiviert Sie besonders diese Schulungen durchzuführen?Die größte Motivation hierfür ist für mich der Kontakt zu jedes Mal aufs Neue interessierten, tiefgründigen und warmherzigen Menschen. Außerdem ist die Schulung für mich eine gute Möglichkeit, in einen zusätzlichen Kontakt mit den Mitarbeitern des ambulanten Hospizdienstes und deren Arbeit zu kommen, so dass eine bessere Verzahnung und ein gutes Verständnis für unsere jeweilige Arbeit leichter gelingen kann.

Was sollte Ihrer Meinung nach in der Palliativmedizin geändert werden? Für was setzen Sie sich ein?
Ganz dringend benötigen wir mehr Fachkräfte für diese aus meiner Sicht wichtige Arbeit, vor allem mehr palliative Pflegekräfte und mehr Palliativärzt*innen. Geplant ist derzeit, dass demnächst ein aufsuchender 24h-Palliativnotdienst durch ein SAPV-Team angeboten werden soll und muss (bisher ist dies ein 24h-Rufdienst) - doch dafür benötigen wir mehr „Man- und Woman-Power“ sowohl in der Pflege als auch im ärztlichen Bereich, sonst sind diejenigen, die sich derzeit den palliativen Herausforderungen stellen bald ausgelaugt und verlassen dieses Tätigkeitsfeld. Es muss mehr kommuniziert werden, wie sinnstiftend diese Arbeit ist - allerdings nur, wenn maßvoll auf jede Schulter verteilt.
Des Weiteren muss sich der Palliativgedanke mehr verbreiten. Die Medizin sollte an den ganzheitlich zu betrachtenden Bedürfnissen des Patienten mit lebenslimitierender Erkrankung ausgerichtet werden. Hier muss und darf die Palliativmedizin vermitteln zwischen den unterschiedlichen Fachrichtungen und auch Patient und Familie selbst. 

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